Weiße Weihnachten anno 1886

Bei aller Sehnsucht nach weißen Weihnachten – das Fest kann auch zu weiß werden. So geschehen in Leipzig im Jahr 1886.
Bis zum 18. Dezember dieses Jahres herrschte eine fast frühlingshafte Witterung, Händler klagten sich gegenseitig ihre Not, weil die Kunden weder warme Kleidung noch anderen Winterbedarf kauften. Am Sonntag jedoch, dem 19. Dezember, fiel Kälte ein, es begann zu schneien, erst zaghaft, dann immer heftiger. Nach einigen Stunden ging der Schneefall in dichtes Schneegestöber über, das auch am Montag andauerte und sich am Dienstag zum Schneesturm steigerte.
Der öffentliche Verkehr brach bereits am Montag zusammen. Pferdebahnen und Droschken mussten ihren Betrieb einstellen. Am Dienstag lag der Schnee meterhoch, Haustüren waren von Schneewehen verbaut. Besonders hart traf es die Reisenden. Am Montag war der Dresdner Personenzug nicht in Leipzig eingetroffen, weil er bei Dahlen im Schnee steckengeblieben war. Auch die anderen fälligen Züge trafen nicht mehr in Leipzig ein, und es konnten auch keine Züge mehr abfahren. Rettungsversuche scheiterten: So wurde dem festgefahrenen Berliner Zug ein Hilfszug mit vier Lokomotiven entgegengeschickt, aber auch er blieb im Schnee stecken. Hunderte von Soldaten und Arbeitern versuchten, die Bahnstrecken freizulegen – vergeblich.
Auch die Versorgung mit Lebensmitteln geriet ins Stocken, weil die Bauern aus den umliegenden Dörfern nicht mehr in die Stadt kommen konnten – Straßen und Wege waren unpassierbar. Drei Tage lang war Leipzig vom Rest der Welt abgeschnitten.
Nur die Telegraphen arbeiteten noch. Ansonsten ruhte auch der Postverkehr. Um wenigstens die wichtigsten Sendungen nach Dresden zu befördern, wurden die längst außer Dienst gestellten alten Postschlitten hervorgeholt und jeder mit vier Pferden bespannt.
Dabei herrschte nicht nur in Leipzig Schneechaos, neben Sachsen waren Bayern, Schlesien, Thüringen und Brandenburg betroffen.
Am Donnerstag ließ das Unwetter nach. Straßen und Bahnstrecken konnten freigelegt werden, am Freitag fuhren wieder erste Züge.
Am Sonnabend, dem 24. Dezember, feierten die Leipziger dann „weiße Weihnachten“, wünschten sie sich aber so bald nicht wieder.

Historische Grußpostkarte
Abb.: Archiv der Autorin Dagmar Schäfer