Paunsdorf gestern und heute: Die Steuerordnung für die bürgerliche Gemeinde Paunsdorf 1916

Die Ansichtskarte zeigt das Paunsdorfer Rathaus. Hier wurde die Steuerverordnung erstellt. Auf der Rückseite der Poststempel 15. 6. 1918 Paunsdorf (Amtshauptmannschaft Leipzig). Und kleingedruckt: Photograph Otto Reinicke Paunsdorf und Verlag Paul Sperling Paunsdorf. Das Photographische Atelier von Otto Reinicke gab es schon um 1908 in der Riesaer Straße 28, später wurde es Foto-Clauß. Den Verlag Paul Sperling gab es ab 1898 in der Barbarastraße 24/Ecke Döllingstraße. Der Laden für Papierwaren, Büroartikel und Schulbedarf schloss 1975.

In der Gemeinde Paunsdorf wurden nach Maßgabe einer Steuerverordnung aus dem Jahr 1916 folgende Steuer erhoben: Einkommenssteuer, Grundsteuer, Hundesteuer, Besitzwechselabgaben, Abgaben für Lustbarkeiten und Zuwachssteuer. Hier einige Auszüge.
Einkommenssteuer: Personen, die sich im Gemeindebezirk länger als drei Monate aufhalten, unterliegen der Einkommenssteuerpflicht gleich denjenigen, die im Gemeindebezirk einen Wohnsitz haben.
Grundsteuer: Zur Zahlung der Grundsteuer ist verpflichtet, wer zur Zeit ihrer Fälligkeit Besitzer des Grundstückes ist. Für die Grundsteuer wird ein Grundsteuerbuch geführt.
Hundesteuer:
Für jeden in der Gemeinde gehaltenen Hund ohne Unterschied des Geschlechts ist eine jährliche Steuer von 12 Mark zu zahlen. Von der Steuer wird der gesetzliche Mindestbetrag von 3 Mark zur Armenkasse, der Mehrbetrag zur Gemeindekasse erhoben.
Binnen 14 Tage nach Anschaffens muß die Steuer bezahlt werden, gegen Quittung und Empfang der Steuermarke.
Erlass bei der Hundesteuer: Für Zug-, Wach- und Diensthunde sowie für Hunde, die zum Broterwerb benutzt werden oder der Führung oder Bewachung blinder oder tauber Personen dienen, kann die Hundesteuer bis auf den gesetzlichen Mindestbetrag erlassen werden, ebenfalls in Züchtereien für rassereine Hunde.
Wird ein steuerpflichtiger Hund nach Ablauf des Zahlungstermins für die Hundesteuer ohne gültige Steuermarke auf öffentlichen Verkehrsräumen angetroffen, so wird dessen Besitzer mit einer Geldstrafe bis zu 30 Mark bestraft.
Besitzerwechselabgabe: Wer ein im Gemeindebezirk gelegenes Grundstück erwirbt, hat ein halbes Prozent vom Werte des erworbenen Grundstücks als Besitzerwechselabgabe an die Gemeindekasse zu entrichten. Steuerbescheide über den Abgabebetrag erhielt der Abgabepflichtige durch die Gemeinde Paunsdorf oder eine Zahlungsaufforderung durch das Königliche Amtsgericht zu Taucha zugestellt.
Lustbarkeitssteuer:
Für jede öffentliche Lustbarkeit sind vor deren Abhaltung nach den anliegenden Tarifen Abgaben an die Gemeindekasse zu entrichten.
Den öffentlichen Veranstaltungen werden diejenigen gleichgestellt, die von Vereinen oder zu diesem Zwecke gebildeten Gesellschaften in Gast-, Schank- oder Gesellschaftsräumen abgehalten werden. Veranstaltungen, bei denen ein höheres Interesse der Kunst und Wissenschaft abwaltet, unterliegen einer Abgabe dann nicht, wenn sie unentgeltlich dargeboten werden oder ihr Ertrag lediglich gemeinnützigen oder wohltätigen Zwecken zufließt. Übertretungen dieses Ortsgesetzes werden mit Geldstrafen bis zu 30 Mark oder entsprechende Haft bestraft. Für ein Tanzvergnügen, auch mit Konzert, Theater oder anderen Aufführungen verbunden, bis 12 Uhr nachts 5 Mark, für jede weitere begonnene Stunde 3 Mark. Für einen Masken- oder Kostümball 30-40 Mark, für ein Masken- oder Kostümfest 10-15 Mark. Für Instrumental- und Gesangskonzerte ohne Erhebung eines Eintrittsgeldes 1-5 Mark, bei Erhebung 2-10 Mark. Für Straßenmusik und sonstige kleinere Schaustellungen und Lustbarkeiten 50 Pfennig bis 2 Mark. Für Kommerse Portionsschmäuse, Martinsfeste, Bockbierfeste, Narrenabende, Anspielungen auf Billard oder Kegelbahn und desgl. 1-3 Mark.
Zuwachssteuer:
Bei dem Übergang des Eigentums an Grundstücken im Gemeindebezirk wird eine Zuwachssteuer erhoben. Von der Steuer sind befreit: der König und die Mitglieder des königlichen Hauses, das Reich und der sächsische Staat, Vereinigungen aller Art, die sich ohne Erwerbszwecken zu dienen, satzungsgemäß mit innerer Kolonisation, Arbeiteransiedlung, Grundentschuldung oder Errichtung von Wohnungen für die minderbemittelten Klassen befassen, bei einen Erwerb von Todes wegen, bei Schenkungen usw. Bei Hinterziehung der Zuwachssteuer ist der hinterzogene Betrag nachzuzahlen, außerdem aber das 4- bis 10-fache der Steuer als Strafe zu erlegen. Die Strafen fließen zur Gemeindekasse.

Lothar Schmidt