Paunsdorf gestern und heute

Großbrand im Straßenbahn-Depot vor 100 Jahren

Die Leipziger Elektrische Straßenbahn (LESt) erwarb von der Gemeinde Paunsdorf östlich des Dorfes ein Gelände und baute darauf ein sechsgleisiges Straßenbahn-Depot. Die Einweihung war am 1. Juni 1913. Die Linie 4 wurde 1914 von der Stadtgrenze (heute Sellerhäuser Friedhof / Elisabeth-Schumacher-Straße) bis zum „Gasthof Paunsdorf“ verlängert. Auf dem Areal des Gasthofes steht heute das Wohnhaus Riesaer Strße 35-35c.
Vor der Schmiede und der Fortuna-Turnhalle wurde eine Ausweiche eingerichtet, mit der Triebwagen und Anhänger umrangiert werden konnten.
Bis zum Straßenbahn-Depot gab es nur eine eingleisige Strecke, diese war für den Personenverkehr nicht freigegeben. Die Gemeinde musste die noch bestehenden Wassergräben beidseitig der Riesaer Straße zuschütten, um die entsprechende Straßenbreite für ein zweites Gleis zu erreichen. Im Betriebshof Paunsdorf waren am Anfang die Linien 4, 5 und 8 beheimatet.
In der Nacht vom Mittwoch, 22. Juni, zum Donnerstag, 23. Juni 1920, waren gerade die letzten Straßenbahnwagen im Depot zur „Nachtruhe“ eingerückt. Plötzlich wurde ein Feuer mitten in der Halle bemerkt. Innerhalb kürzester Zeit brannte der Innenausbau aus Holz sowie das hölzerne Dach mit Teerpappe lichterloh. Die Leipziger Einwohner der Ostvorstadt und der Gemeinde Paunsdorf wurden durch das laute Rasseln der Feuerwehrglocken der Berufsfeuerwehr aus dem Schlaf geweckt. Auch freiwillige Wehren aus der Umgebung waren am Einsatz beteiligt.
Trotz aller Bemühungen wurde alles Brennbare vernichtet. 44 Motorwagen, 16 Anhänger, 1 Salz- und 1 Wasserwagen wurden Raub der Flammen. Neben dem Depot stand ein Seitengebäude, hier wurde das Dach zerstört. Dass das Verwaltungsgebäude von dem Feuer verschont blieb, ist nur der günstigen Windrichtung zu danken.
Der entstandene Schaden wurde auf viele Millionen Mark geschätzt. Eine Untersuchung des Brandes wurde eingeleitet. Die Brandstätte war in den folgenden Tagen das Ziel vieler Neugieriger. Auch ein Fotograf hielt die Trümmerstätte in Bildern fest.
Auf dem abgebildeten Foto ist der 1902 erbaute 52,9 Meter hohe Paunsdorfer Wasserturm gut erkennbar. 1921 wurde die zerstörte Halle wieder aufgebaut, der Giebel wurde gegenüber dem Vorgängerbau etwas verändert.
Am 11. Oktober 1925 wurde der Linienbetrieb bis zum Depot verlängert. Vor der Halle war ein Gleisdreieck angelegt worden. Ebenfalls 1925 erfolgte eine Erweiterung der Anlage durch den Bau einer zehngleisigen Stahlbetonhalle. Zwischen den beiden Hallen entstanden Werkstatt- und Sozialräume.
1965 begannen die Arbeiten zur Schaffung moderner Werkstatt–anlagen für die Gothaer Gelenkwaren. Ab diesem Zeitpunkt gehörte der Betriebsbahnhof Paunsdorf als Außenstelle zum damaligen Betriebshof Reudnitz. Im Oktober 2016 wurde das Verwaltungsgebäude abgerissen.
Bleibt der Straßenbahnhof Paunsdorf uns noch länger erhalten?
Viele Fragezeichen – die Zukunft wird es zeigen.

Text | Foto: Lothar Schmidt