Napoleon in Leipzig

Aus Verehrung wurde Ablehnung

Keine Napoleon-Biographie kommt ohne ein ausführliches Kapitel zu Leipzig aus. Denn Napoleon Bonaparte, der vor 200 Jahren am 5. Mai 1821 auf der Insel St. Helena starb, wurde hier in Leipzig in jener gewaltigen Schlacht, der man schon bald die Bezeichnung „Völkerschlacht“ gab, die entscheidende Niederlage beigebracht. Zwar gelang es Napoleon nach seiner Verbannung auf die Insel Elba, noch einmal für 100 Tage an die Macht zurückzukehren, doch in der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815 wurde er endgültig besiegt.

Napoleon ist mehrfach in Leipzig gewesen, und die öffentliche Meinung war zunächst durchaus für ihn. Vor allem die einstigen Befürworter der Ideen der französischen Revolution sahen in ihm einen Hoffnungsträger und erwarteten bürgerlichen Fortschritt. Auch war Sachsen durch die Erhebung zum Königreich und die Verbindung mit dem Herzogtum Warschau von Napoleon durchaus gestärkt worden. Der französische Kaiser konnte deshalb 1807 auf der Rückreise von Tilsit, wo er den Tilsiter Frieden mit Russland geschlossen hatte und auf dem Gipfel seiner Macht stand, mit Sympathie in Sachsen und in der Messe- und Universitätsstadt Leipzig rechnen.
Napoleon erreichte Leipzig am 23. Juli 1807. Die Bürgerschaft hatte eine Ehrenpforte für ihn errichtet, eine Ehrengarde der Kaufmannschaft wartete auf den Kaiser und eine Deputation der Universität wollte eine Sternenkarte überreichen, hatte doch der Senat bestimmt, die zu Gürtel und Schwert des Orion gehörenden Sterne künftig Napoleonsterne zu nennen. Doch alle Anstrengungen der Leipziger Bürgerschaft waren umsonst: Napoleon passierte Leipzig in den Nachtstunden ohne Aufenthalt.
Als Napoleon im Oktober 1813 nach Leipzig kam, hatte sich die öffentliche Meinung längst gewandelt. Die Leipziger Bevölkerung litt unter dem Krieg, der Beeinträchtigung von Wirtschaft und Handel, der schlechten Versorgungslage und sehnte sich nach Frieden. Die riesige Schlacht, die immer näher an die Stadt heranrückte, war für die Leipziger und die Bewohner der umliegenden Dörfer eine Katastrophe. Etwa 40000 Verwundete wurden in die Stadt gebracht, konnten nur unzureichend versorgt werden, so dass Seuchen ausbrachen. Von den 35000 Einwohnern Leipzigs starb jeder Zehnte.
Leipzig brauchte Jahre, um sich von den Verheerungen der Schlacht zu erholen. Zudem gehörte Sachsen zu den Verlierern der Völkerschlacht und wurde zu umfangreichen Gebietsabtretungen gezwungen, während Preußen zur Großmacht aufstieg.
Von den Denkmälern, die sich auf Napoleons Aufenthaltsorte während der Schlacht beziehen, sei hier nur der 1857 eingeweihte Napoleonstein erwähnt – dort, wo einst Quandts Tabaksmühle stand und der Kaiser am 18. Oktober 1813 das Kampfgeschehen beobachtete. Auf dem Granitblock ruhen Nachbildungen von Degen, Hut und Fernrohr Napoleons – ganz so, als hätte der Kaiser sie bei seiner eiligen Flucht aus Leipzig hier vergessen.

Dagmar Schäfer
Abb.: Archiv der Autorin

Napoleons Flucht aus Leipzig am 19. Oktober 1813