Initiative Stadtnatur Leipzig: Bestehende Gebäude nutzen, statt Neubau auf grünen Flächen

Am 30. Oktober 2019 wurde im Leipziger Rat der Klimanotstand ausgerufen. Die Stadt versteht sich im Selbstverständnis als „grüne Stadt“. Darüber hinaus der Appell vom Ökolöwen: „Die Stadt Leipzig muss Grünflächen mit allen Mitteln vor Bebauung schützen.“ Oder, wie es der BUND ausdrückt: „Leipzigs Stadtnatur steht unter Druck!“
Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, wird verstehen, was gemeint ist. Gut zu erleben, wenn man sich zum Beispiel die Veränderungen der Prager Straße ansieht. Wo eben noch unzählige Bäume, Büsche, Gräser standen, Vögel brüteten, stehen jetzt große Gebäudekomplexe, der Erdboden ist nahezu zu 100 Prozent versiegelt.
Weitere Flächen sollen und werden folgen. Eine davon ist die Brache an der Döbelner Straße am Rande des Stötteritzer Wäldchens. Hier ist ein Schulneubau geplant, was zu entsprechenden Diskussionen und Abwägungen führen könnte.

Wiebke Engelsing von der Initiative Stadtnatur Leipzig erklärt: „In der Stadtklimaanalyse wird eine sehr hohe Schutzwürdigkeit der Grünfläche ausgewiesen.“ Außerdem verfügt diese Fläche über eine besonders hohe Artenvielfalt. „Bluthänfling, Grünfink, Kleinspecht, Goldammer und Pirol zum Beispiel“, so Frau Engelsing. „Vögel, die auf den sächsischen und bundesdeutschen Roten Listen bzw. den Vorwarnlisten geführt werden.“ Sprich: es verschwindet weiterer Lebensraum sowohl für Tiere als auch für Menschen. Und es verschwindet ein natürlicher Schutz des vom Dürre und Rodungen geschundenen Stötteritzer Wäldchens.
Wiebke Engelsing betont, dass sich die Initiative Stadtnatur selbstverständlich nicht gegen Schulen richtet, für die ein Bedarf besteht. Die Initiative Stadtnatur lehnt aber die Inanspruchnahme naturschutzfachlich wertvoller Flächen für Neubauten grundsätzlich ab und fordert die prioritäre Nutzung bestehender Gebäude für neue Schulen.
Das Wort von der „Erderwärmung“ macht tagtäglich die Runde – groß, abstrakt und kontrovers kommt es daher. Eher vorstell- und greifbar scheinen da die Fakten, zur benannten Brache. Laut des PET-Index, der die Aufenthaltsqualität im Freien an einem Sommertag in Grad Celsius beschreibt, liegt die Temperatur dort bei derzeit 30°C, die sich mit einer Bebauung um zwei bis sieben Grad Celsius erhöhen würde. „Das hätte fatale Folgen für die Umgebung“, so die Naturschützerin.
Nur ein kleiner Aspekt spielt dabei die Erholungsqualität für den Menschen. Sie ist essentiell mit seiner Gesundheit verflochten. Es geht eben beim Naturschutz nicht immer nur um Kröten oder Fledermäuse, wie es hin und wieder kolportiert wird.

Wie also geht man mit Wachstum um?
Ist es unbegrenzt? Welche Folgen hat unbegrenztes Wachstum für uns alle? Was wird alles für eine lebenswerte Stadt gebraucht? Ist Naturschutz auch Klimaschutz? Wie sieht eine grüne Stadt aus?
Je mehr Fragen gestellt werden, je sachlicher sie diskutiert und beantwortet werden, umso sicherer kann man sich sein, dass klug entschieden wird, es nicht nur bei wohlfeilen Worten bleibt, sondern sinnvolle Taten folgen.

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Naturschützerin Wiebke Engelsing
Text | Foto: Oliver Böhnisch