Ein Haus für Leipzigs Selbstverständnis: Barthels Hof

Barthels Hof, der einzige noch vorhandene typische Messehof aus der Zeit der Warenmesse in Leipzig, kann in diesem Jahr auf eine 500-jährige Tradition zurückblicken. Das beeindruckende Gebäudeensemble wurde von Hieronymus Walther, der für die Augsburger Familie der Welser als Faktor tätig war, 1523 an der Nordwestecke des Marktes errichtet. Damals trug es jedoch noch einen anderen Namen: Haus „Zur goldenen Schlange“. Es war Leipzigs erstes Gebäude im Renaissancestil. Ein Erker mit einer goldenen Schlange an der Marktfront des Gebäudes gab den Namen.
Leipzigs Märkte sorgten für die Entstehung solcher Gebäudekomplexe. Hier wohnte der Kaufherr, unterhielt seine Kontorräume, Warenlager und Verkaufsräume, beherbergte sein Dienstpersonal und brachte die Transportwagen unter. Auch ein Gasthaus besaß das Haus „Zur Goldenen Schlange“ und wurde von Wirt Hanns Tollhardt betrieben. 1563 eröffnete die Stadt hier ihre Ratsweinstube.
Seine heutige Benennung erhielt Barthels Hof vom Kramermeister und Stadthauptmann Johann Gottlieb Barthel, der das Gebäude von 1747 bis 1750 von George Werner, dem bedeutendsten Baumeister des Leipziger Spätbarock, zu einem für die damalige Zeit modernen Messehof umgestalten ließ. Das Haus „Zur goldenen Schlange“ blieb dabei erhalten und wurde in den Neubau einbezogen.
Nur wenige Jahre später zeigte sich der junge Goethe, der als Student nach Leipzig kam, beeindruckt vom Gebäude und schrieb: „… ganz nach meinem Sinn waren die mir ungeheuer scheinenden Gebäude, die, nach zwei Straßen ihr Gesicht wendend, in großen himmelhoch umbauten Hofräumen eine bürgerliche Welt umfassend, großen Burgen, ja Halbstädten ähnlich sind.“
Beim Umbau 1870/71 wurde eine geräumige Durchfahrt hergestellt, so dass Fuhrwerke hindurchfahren konnten ohne wenden zu müssen, und der Erker von 1523 auf die Hofseite versetzt. An der Marktseite entstand eine neobarocke Sandsteinfassade.
Im Zweiten Weltkrieg erlitt Barthels Hof schwere Beschädigungen und auch späterer Verfall setzte dem Gebäude zu. Von 1946 bis 1984 war hier der Sitz der Stadtbibliothek. Die Gaststätte „Barthels Hof“ schloss 1982, konnte aber nach der Restaurierung des Gebäudes in den 1990er Jahren wieder eröffnet werden und lädt die Gäste nach alter Tradition zu sächsischer Küche ein.
Barthels Hof nimmt unter den Sehenswürdigkeiten der Stadt einen besonderen Rang ein, steht er doch für das historische Selbstverständnis Leipzigs als Messestadt.

Portal von Barthels Hof, Innenhof mit Renaissance-Erker, erhalten gebliebener Kranbalken am einst als Warenspeicher dienendem Dachgeschoss (v.l.n.r.).
Text | Fotos: Dagmar Schäfer