Ein besonderes Handwerk – das Kunststopfen

Nagelschmied, Ölerer, Laternenanzünder, Planetenverkäufer, Fischbeinreißer oder auch der Hofnarr. All diese Berufe haben eines gemeinsam: sie sind ausgestorben. Weitere Berufe könnte das gleiche Schicksal ereilen, zum Beispiel dem Xylograph oder der Kunststopferin.

Haben Sie schon einmal von einer Kunststopferin gehört oder gar ihre Dienste in Anspruch genommen? Immerhin gab es bis 2018 eine solche in Leipzig. Marita Rentsch (Foto), die 1958 eine Lehre zur Maschinenstickerin in Leipzig begann, diese drei Jahre später erfolgreich abschloss, machte sich 1995 auf in das Abenteuer „Selbstständigkeit“. Einige Umwege, wie sie erzählt, habe sie dorthin gebracht. Seitdem kommt sie von diesem filigranen Handwerk nicht mehr los.
Wie die kreative Handwerkerin erzählt, habe sie Kunststopfen in einer zweieinhalbjährigen Ausbildung erlernt, für die es allerdings keinen Abschluss gab. Neben geschickten Fingern und guten Augen verlangt die Ausübung des Kunststopfens noch viel Kreativität, Ideenreichtum und handwerkliches Geschick. Marita Rentsch nickt schmunzelnd: „All das bringe ich mit.“

Ein großer Vorteil dieses Handwerks sei, dass niemals Langeweile aufkäme. Das werden besonders jene nachempfinden können, die selbst schon gestopft haben, sei es auch nur eine Socke. Übrigens: Früher gehörte Stopfen zum guten „Ton“, Socken wurden nicht entsorgt, sondern gestopft.
Beim Kunststopfen ist das anders. „Für das Kunststopfen werden spezielle Nadeln verwendet und in der Regel auch immer Material aus dem beschädigten Kleidungsstück, um dieses fachgerecht zu reparieren“, erklärt Marita Rentsch. Sehr speziell scheint diese Tätigkeit zu sein, und so speziell sind dann auch die Kunden. „Eigentlich“, resümiert die Handwerkerin, „war es das, was ich an meiner Tätigkeit besonders geliebt habe. Die Begegnungen mit vielen verschiedenen Menschen.“
Zu ihren Kunden gehörten Fernsehmoderatoren, Schauspieler, Rennfahrer und andere Größen des öffentlichen Lebens. „Aber“, so betont Frau Rentsch: „jede Begegnung, hat mich emotional reicher und dankbarer gemacht!“

Durch Marita Rentschs Finger gingen unzählige Kleidungsstücke, sogar eine Uniform der Queens Guard. Von Leipzigs Kunststopferin wurden auch Puppentrickfiguren angekleidet und uralte Teddys restauriert. All das ist nun Geschichte. Marita Rentsch greift heute nur noch ab und zu zur Kunststopfnadel, wenn sie Familienmitglieder oder enge Freunde darum bitten. So ganz kann und möchte sie aber die Nadeln noch nicht aus der Hand legen.

Solange Marita Rentsch noch zu den Nadeln greift, lebt der Beruf der Kunststopferin weiter. Und vielleicht, so besteht eine leise Hoffnung, gibt es wieder einen Trend zur Reparatur. Dann wären das gute Aussichten für das schöne und filigrane Handwerk des Kunststopfens.

Text | Foto: Michael Oertel