Johann Christoph Gottsched kam Anfang 1724 als Flüchtender aus Königsberg nach Leipzig. Als hochgewachsener junger Mann befürchtete er, für die „lange Garde“ des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. rekrutiert zu werden. Der Philosophiedozent hätte kein geeigneteres Fluchtziel wählen können, denn Leipzig entwickelte sich zu jener Zeit zu einem Zentrum des deutschen Geisteslebens – der rechte Ort also für Gottscheds Reformen von Sprache und Literatur.
Nach seiner Ankunft in Leipzig wohnte er zunächst am Nikolaikirchhof, später zog er in den „Goldenen Bären“ des Verlegers Breitkopf am Alten Neumarkt (der heutigen Universitätsstraße). Gottsched freundete sich mit dem einflussreichen Geschichts–professor Johann Burkhard Mencke an, der den jungen Wissenschaftler in die Leipziger Gesellschaft einführte und dessen Wirken als Universitätslehrer, Dichter, Schriftsteller und Mitglied der Leipziger gelehrten Sozietäten förderte.
Breiten Raum nahm Gottscheds journalistische Tätigkeit ein. 1725/26 schuf er unter dem Titel „Die Vernünftigen Tadlerinnen“ die erste deutsche Frauenzeitschrift, die sich einer emanzipatorischen Frauenbildung widmete.
1735 heiratete Gottsched die in Danzig geborene Dichterin Luise Adelgunde Victorie Kulmus; die Leipziger bezeichneten die Gottscheds fortan als „Musenpaar“ oder die „gelehrten Zwey“.
Die Gottschedin nahm neben ihrer eigenen literarischen Tätigkeit – sie schrieb Komödien und übersetzte aus mehreren Sprachen – lebhaften Anteil an den Bestrebungen ihres Mannes, bevor sich das Paar in späteren Jahren zunehmend entfremdete. An der Seite ihres berühmten Mannes wurde die Gottschedin am Wiener Hof von Maria Theresia zwar als „berühmteste Frau Deutschlands“ gefeiert, aber die Vorurteile gegenüber weiblichen Denkleistungen bekam auch sie zu spüren: Ihr Manuskript für eine „Geschichte der lyrischen Dichtkunst der Deutschen“ – ihr wahrscheinlich wichtigstes wissenschaftliches Werk – fand keinen Verleger.
Bis heute in Erinnerung geblieben sind die Gottscheds vor allem durch ihre Bemühungen um das Theater: Gemeinsam mit Karoline Neuber verbannten sie den Hanswurst von der Bühne.
Gottsched wurde ab 1739 mehrfach zum Rektor der Universität gewählt; er übte dieses Amt auch in den schwierigen Jahren des Siebenjährigen Krieges aus. Doch da war sein Stern schon im Sinken. Die nachfolgende Dichtergeneration – Lessing, Klopstock, Goethe, Schiller – konnte mit Gottsched nicht mehr sehr viel anfangen und verspottete ihn – auch wegen seiner Eitelkeit und Herrschsucht.
Die Gottschedin starb 1762, Gottsched vier Jahre später. Begraben wurden beide in der Universitätskirche.
Dagmar Schäfer
Luise Adelgunde Victorie Gottsched und Johann Christoph Gottsched
Abb.: Archiv der Autorin