100 Jahre Jugendherbergen Sachsen – Gäste aus aller Welt übernachten in Schönefeld

Kennen Sie die Jugendherberge Leipzig? Der Paunsdorfer Stefan Niklarz ist seit 2018 ihr Leiter in Schönefeld und hat sich mit uns zum Interview getroffen.

Herr Niklarz, wie feiern Sie dieses besonders runde Jubiläum?
In diesem Jahr interessieren uns vor allem die eigenen Jugendherbergs-Erfahrungen der Gäste, Mitarbeiter oder die typischen Klischees der Jugendherberge, die den Leuten noch im Kopf hängen blieben. Außerdem greifen wir in neuen Workshop-Programmen den aktuellen „Do-it-yourself“-Trend auf. Lehrer mit ihren Schulklassen und andere Gruppen sowie Familien können sich hier in vielfältigen handwerklichen Richtungen unter fachkundiger Anleitung selbst ausprobieren. Auf unserer Jubiläumswebsite www.klischeeole.de kann man Workshops buchen, an Wettbewerben teilnehmen und sich über die nächsten Veranstaltungen informieren.
Der sächsische Jugendherbergsverband hat im August einen Festakt mit dem Ministerpräsidenten in Görlitz. Dazu kommen die Jubiläumsfeste in Bad Lausick, Grumbach (30. Juni) sowie Klingenthal (7. September).

Und hier in Leipzig?
Wir lassen das Jubiläum kulinarisch Revue passieren – mit Gerichten, die vor 100 Jahren gegessen wurden. Auch die DDR-Küche lassen wir aufleben – mit gesüßtem Hagebuttentee, Jägerschnitzel, Quarkkeulchen und unserem Konzept von „Free Flow Rock’n Roll“. Wobei ich anmerken möchte, dass wir immer alles frisch zubereiten und nicht nur Tiefkühlware verarbeiten.
Zum einen zelebrieren wir also einige Klischees. Dazu gehört es auch, sein Bett selbst zu beziehen. Zum anderen wollen wir mit einigen längst überholten Klischees aufräumen, zum Beispiel dass Jugendherbergen nur für Jugendliche oder Schulklassen seien. Wir sind offen für alle, auch für Haustiere. Erst neulich war ein Gast der Hingucker, da er mit einem Ara auf der Schulter unterwegs war.

Was zählen Sie noch zum angestaubten, veralteten Image?
Etagenbetten und Gemeinschaftsbäder. Unsere 57 Zimmer mit 170 Betten sind alle im Apartmentstil, haben oft ein eigenes Bad. Maximal sechs Personen teilen sich ein Bad. Heutzutage erwarten unsere Gäste auch mehr Flexibilität. Einige meiner knapp 15 Mitarbeiter arbeiten schon so lange hier, dass sie Jugendherberge im Blut haben. Und sie beobachten, wie sich Gäste immer kurzfristiger entscheiden. Deshalb ist unsere Herberge auch rund um die Uhr besetzt.
Wir wollen echte Ansprechpartner sein, den Gästen das Gefühl von Nähe vermitteln, Ihnen alles so einfach wie möglich machen. Am besten ist es, wenn wir dann vom Sie ins Du rutschen. Das große Thema in Jugendherbergen ist ohnehin, etwas zusammen zu tun. Das fängt jeden Tag mit dem gemeinsamen Frühstück an.

Und wie war das vor einem Jahrhundert am Anfang?
Der Lehrer Richard Schirrmann gilt als Initiator der Jugendherbergsbewegung. Bereits vorm Ersten Weltkrieg arbeitete er daran, den jungen Burschen, die ihre Wanderlust entdeckten, ein Haus, also Unterkunft und Verpflegung bereitzustellen. Die erste Jugendherberge der Welt entstand 1914 in Altena (NRW).
In den 1990er Jahren mussten einige Häuser wegen des strikten Brandschutzes auf Grund der Unterbringung von Minderjährigen schließen. Heute haben wir 360 Jugendherbergen in Deutschland, davon 22 Häuser im sächsischen Landesverband. Aber längst nicht alle Gäste sind Wanderer – genau genommen die wenigsten.

Was bringt Ihre Gäste nach Leipzig und in die Jugendherberge in Schönefeld?
Bei uns startet die Saison mit der Buchmesse. Viele kommen über die Via Regia oder als Radwanderer auf dem europäischen Radweg Berlin-Leipzig.
Etwa 80 Prozent der Gäste sind aus dem deutschsprachigen Raum. Etliche internationale Gäste besuchen die Musikstadt Leipzig, zum Teil aus Japan oder Korea. Für sie gehört ein Besuch der erzgebirgischen Orte des Musikinstrumentenbaus dazu.
Unsere Jugendherberge ist nicht die günstigste Unterkunft Leipzigs. Aber unser fairer Preis schließt WLAN, frische Küche, Frühstück und maximal 4-Bett-Zimmer mit ein. Und egal ob Leipziger Seenlandschaft, Notenspur, Panometer, Zoo oder Belantis – die Sehenswürdigkeiten der Stadt sind wie auch der Hauptbahnhof in kurzer ÖPNV-Entfernung.

Text | Foto: Frank Willberg

Jugendherberge Leipzig
Volksgartenstraße 24
Aktionen, Workshops und Feste:
www.klischeeole.de

Stefan Niklarz