Wie die Idee „Flaniermeile“ Merseburger Straße Gestalt annimmt

Während der Europäischen Mobilitätswoche im September 2022 verwandelte sich die Merseburger Straße zwischen Aurelien- und Karl-Heine-Straße unter dem Motto „besser verbunden“ in eine autofreie Fuß- und Radverkehrsstraße. Die Initiative dafür ging von Anwohnerinnen und Gewerbetreibenden aus; gemeinsam mit Vereinen und lokalen Akteuren stellten sie ein vielseitiges Programm mit unterschiedlichen Thementagen auf die Beine: so trafen sich beispielsweise die Anwohnerinnen zu einem Sonntagsfrühstück mitten auf der Straße, am Kindertag konnte nach Herzenslust – nicht nur Ball – gespielt werden und am Gartentag entstand eine „Wanderbaumallee“. Mit ihren Aktionen wollten die Teilnehmerinnen den Beschluss der Stadt Leipzig, die Merseburger Straße perspektivisch in eine „Flaniermeile“ zu verwandeln, unterstützen und praktisch erproben. Denn: die Merseburger Straße ist ein besonderer Straßenzug, in mehrfacher Hinsicht. Am Karl-Heine-Kanal in Höhe der Zschocherschen Straße beginnend, führt sie als Anliegerstraße bis zur Lützner Straße und von dort aus als Bundesstraße über die Stadtgrenze hinaus in Richtung Merseburg. Im Leipziger Westen verbindet sie insbesondere die Ortsteile Altlindenau und Plagwitz auf direktestem Wege. Auf diesem Abschnitt entstanden zwischen 1903 und 1935 zwischen Demmering- und Endersstraße drei große Kaufhäuser; zwei weitere eröffneten 1904 bzw. 1912 in der Karl-Heine-Straße. Zwischen diesen beiden Polen entwickelte sich eine der wichtigsten Einkaufsstraßen im Viertel. In dieser Zeit führte auch die „Lindenauer Straßenbahntrasse“ vom Lindenauer Markt über die Merseburger Straße bis zur Karl-Heine-Straße. Auch zu DDR-Zeiten galt die Merseburger Straße als attraktive, lebendige Flaniermeile. Mitte der 1980er Jahre sollte der Abschnitt zwischen Karl-Heine- und Aurelienstraße sogar zur Fußgängerzone werden. Wegen des drängenden Fertigstellungstermins zum 40. Jahrestag der DDR 1989 konnte aber nur eine deutlich „abgespeckte“ Variante umgesetzt werden: mit Hochbeeten, Gehwegverbreiterungen und den seinerzeit typischen Kugelleuchten. Ein echtes Stück Fußgängerzone entstand erst 1996, anlässlich der Modernisierung und Erweiterung des ehemaligen Kaufhauses Max Sachse (später „Neues Kaufhaus Held“); allerdings unter ungünstigsten Bedingungen der Schrumpfung. So war das neue Kaufhaus schon bei seiner Eröffnung insolvent. Nach vielen Jahren des Leerstands kommt die Merseburger Straße seit 2010 langsam wieder in Schwung. Die sich zwischen Karl-Heine- und Aurelienstraße ansiedelnden Gewerbetreibenden, insbesondere der wachsende Anteil an Gastronomen, schätzen die Qualität der Gestaltungselemente von 1989. Auch deutlich mehr Fußgängerinnen und Radfahrende sind unterwegs. Die Merseburger Straße ist auf gutem Wege, ihre alte Bedeutung im Leipziger Westen wiederzuerlangen.

Eine Wanderbaumallee entsteht.
Foto: Nathalie Würfel