Wie die „Gartenlaube“ am Weihnachtsabend 1852 gerettet wurde

Auch in diesem Jahr fragen wir wieder: Wie verbrachten Leipziger Persönlichkeiten das Weihnachtsfest? Friedlich, harmonisch, gelangweilt, gestresst oder gar von lebensbedrohlichen Ereignissen geplagt?
Für den Leipziger Verleger und Redakteur Ernst Keil (1816-1878) wurde das Weihnachtsfest 1852 aufregend und turbulent. Pünktlich am 1. Januar 1853 sollte die erste Ausgabe der „Gartenlaube“ erscheinen, jener Zeitschrift, die Keil noch als Häftling des Landesgefängnisses Hubertusburg konzipierte.
1846 hatte er in Leipzig zunächst die Monatsschrift „Der Leuchtthurm“ als wichtiges Organ des vormärzlichen Journalismus gegründet und sich damit polizeilichen Verfolgungen ausgesetzt. 1851 wurde er als „Staatsverbrecher“ zu einer neunmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt und hatte nun Zeit, darüber nachzudenken, wie er nach seiner Entlassung weiter sinnvoll als Verleger tätig sein könnte. Die einstige Begeisterung der Achtundvierziger Zeit war erloschen und Keil musste beim Lesepublikum mit veränderten Bedürfnissen rechnen. So fasste er den Plan, eine Zeitschrift zu gründen, die der Volksaufklärung dient, das Familienleben fördert sowie Gemeinsinn und Vaterlandsliebe pflegt. In seiner Zelle schrieb Keil „Erste Plannotizen zur Gartenlaube“ nieder – nach der Überlieferung „beim Scheine einer Cigarre …, da die Hausordnung schon von acht Uhr ab das Brennen von Licht verbot“.
Der entscheidende Anfang der Zeitschrift „Die Gartenlaube“, die ein Welterfolg werden sollte und bis heute als pressegeschichtliches Phänomen gilt, war gemacht.
Doch es gab Hürden. Mit der Verurteilung zur Haftstrafe hatte Ernst Keil die bürgerlichen Ehrenrechte verloren und durfte daher nicht als verantwortlicher Redakteur tätig sein. Sein Freund, der Journalist und Schriftsteller Ferdinand Stolle, half und gab seinen Namen. In den letzten Dezembertagen des Jahres 1852 lief der Druck der ersten Ausgabe der „Gartenlaube“ auf Hochtouren – da geschah ein Missgeschick: Ausgerechnet am Weihnachtstag sprang die Platte des Holzschnittes, der Druck musste unterbrochen werden. Erst nach langer Suche fand Ernst Keil am Weihnachtsabend in Leipzig einen Tischler, der die schadhafte Platte ausbesserte und so das pünktliche Erscheinen der Zeitschrift rettete.
Mit der „Gartenlaube“ traf Ernst Keil den Geschmack eines breiten Publikums. Bereits 1855 hatte die Zeitschrift 3500 Abonnenten, die Zahl stieg stetig. Der gewaltige Erfolg der „Gartenlaube“ bleibt letztlich ein schwer zu lüftendes Geheimnis, das in erster Linie aber wohl in der Unermüdlichkeit ihres Verlegers und Redakteurs liegt.
Dagmar Schäfer

Die „Gartenlaube“ 1869
Abb.: Archiv der Autorin