Sieben Giebel am Kanal

Zentral und doch etwas versteckt liegt die Feuerwache West zwischen Lauchstädter Straße und Karl-Heine-Kanal – eine von sechs Feuerwachen der Leipziger Berufsfeuerwehr und im Moment sogar die größte. Etwa 100 Feuerwehrleute arbeiten hier regulär – derzeit sind es gut 20 mehr, denn so lange die Feuerwache Mitte am Fleischerplatz saniert wird, muss die dortige Mannschaft großteils auf die anderen Wachen verteilt werden. Feuerwehr und Rettungsdienst gehören zu den kommunalen Pflichtaufgaben, fast alle Mitarbeiter der Feuerwehr sind Beamte. Bewusst wird hier die männliche Form verwendet, denn während der Frauenanteil bei den freiwilligen Feuerwehren bei etwa 20% liegt, ist er bei der Berufsfeuerwehr äußerst gering, was sich aber in Zukunft ändern soll. Und wie in vielen anderen Berufen auch, ist es inzwischen nicht mehr einfach, Nachwuchs zu finden. Gerade im medizinischen Bereich, dem Rettungsdienst, sind zahlreiche Stellen offen. Eine Ausbildung als Rettungssanitäter haben übrigens alle Feuerwehrleute.

Innerhalb der Feuerwache geht es – zwangsläufig – sehr familiär zu. Gearbeitet wird in 24-Stunden-Schichten, wobei morgens um sieben Uhr die Dienstübergabe erfolgt. Wenn kein Einsatz ansteht, ist der Tag von Ausbildungs- und Werkstattdiensten geprägt, aber auch sportliche Betätigung und Ruhezeiten gehören dazu. Nicht jedoch eine ausgedehnte Essenspause außer Haus – in jeder Schicht muss mindestens ein Feuerwehrmann für rund 30 Kollegen und den Wachschichtführer kochen.
Welche Aufgabe auch immer gerade ansteht: sobald ein Einsatzbefehl eingeht – alarmiert wird in allen Bereichen der Wache optisch, akustisch sowie persönlich über Pager – begeben sich alle Kräfte zu ihren Fahrzeugen. Übrigens noch immer über Rutschstangen, wobei auch Aufzüge und das Treppenhaus zur Verfügung stehen. Vom Alarm bis zum Anrollen der Fahrzeuge vergehen keine zwei Minuten.
Welche Feuerwache für einen Einsatz zuständig ist, wird in der Integrierten Regionalleitstelle in der Gerhard-Ellrodt-Straße koordiniert. Geht ein Notruf ein, schlägt das Einsatzleitsystem den Disponenten geeignete Fahrzeuge vor – dann wird die dem Einsatzort nächstgelegene Wache kontaktiert. Die Leipziger Einsatzbereiche wurden in den 1990er Jahren neu definiert – heute muss jeder Einsatzort innerhalb von 9,5 Minuten ab Notruf erreicht werden können. Die Hilfsfristen (für das Rettungswesen) und Eingreifzeiten (für die Brandbekämpfung) sind gesetzlich vorgegeben und werden von der Landesdirektion geprüft.

Die Feuerwehrleute der Westwache rücken über 1.000 Mal im Jahr zu Feuerwehreinsätzen aus, dazu kommen die Einsätze im Rettungsdienst – letztere mit steigender Tendenz in der wachsenden Stadt. Im Gegensatz zu früher, als der Leipziger Westen noch ein Schwerpunkt industrieller Produktion war: damals bestand ein großes Potenzial für Betriebsunfälle und Brände, größere Betriebe hatten sogar eigene „Löschgruppen“.

Errichtet wurde die Westwache bereits im Jahr 1898. Als „vierte Bezirkswache“ war sie speziell für den Schutz von Lindenau, Plagwitz, Kleinzschocher und Schleußig zuständig. Das historische Gebäude wurde 1996 komplett saniert und äußerlich wieder weitgehend in seinen Originalzustand versetzt. Schon ein Jahr zuvor war direkt nebenan ein Erweiterungsbau in Betrieb genommen worden – übrigens der erste Neubau einer Feuerwache in Leipzig seit 1997. Das auffällige Dach mit den sieben spitzen Giebeln soll an die Werkhallen des Industriegebietes Plagwitz erinnern. Im Neubau befinden sich ausreichend große Räume für die Einsatzkräfte, eine Fahrzeughalle und darüber eine große Sporthalle. Im Altbau arbeitet die Abteilung ‚vorbeugender Brandschutz‘, die sich mit Bauvorhaben befasst. Nicht zuletzt sind auch zentrale Einrichtungen der Leipziger Feuerwehr in der Westwache untergebracht: das „Atemschutz-Kompetenzzentrum” und die sogenannte „Gefahrgutkomponente“ für ABC-Einsätze.

2023 wird die Feuerwache West ihr 125-jähriges Jubiläum feiern. Schon jetzt wird darüber nachgedacht, wie dieser Anlass gewürdigt werden könnte. Nicht ausgeschlossen, dass es eine kleine Festveranstaltung geben wird.

Alt- und Neubau der Westwache, dazwischen der Haupteingang.
Fotos: Heiko Müller