„Schimpft nicht, sondern macht mit!“ – gemeinsam gestalten wir Anger-Crottendorf

Ein Stadtteil, zwei Meinungen: Während die einen in Anger-Crottendorf an Stellplätzen und ihrem seit DDR-Zeiten gewohnten Plausch im Garagenhof festhalten möchten, würden andere am liebsten gar keine Autos mehr im Kiez sehen wollen. Seit 2015 erlebt Anger-Crottendorf einen Umbruch mit Bürgerzuwachs inklusive neuem Schulcampus und gerade eröffnetem Park in der Rietzschke-Aue.
Hinter der Liselotte-Herrmann-Straße operieren seit rund 50 Jahren zwei Garagengemeinschaften auf Pachtgrund der Stadt Leipzig. Dort parken überwiegend Anwohner umliegender Wohnblöcke. Sie treffen sich hier auch gerne mal zum Schwatz in vertrauter Runde. Damit soll bald Schluss sein: Die Stadt plant auf dem Areal perspektivisch eine Grundschule. Dann sollen die Höfe weg. Dabei hängen die Pächter an ihren einst selbst erbauten Garagen und starteten unlängst eine Petition zum Erhalt der Anlage. Viele Unterzeichner sehen sich aus Altersgründen auf Stellplätze in Wohnungsnähe angewiesen.
Dem Bürgerverein Anger-Crottendorf bereiten hingegen mehr Autos, einhergehende Schadstoffbelastungen und weniger Platz für Menschen durch die insgesamt gewachsene Stadt Leipzig Sorgen.

Neues Verkehrskonzept gefordert

Der Bürgerverein hatte bereits im „Anger-Crottendorfer Anzeiger“ zur Stadtentwicklung berichtet. „Als bekannt wurde, dass auf den Garagenhöfen eine Grundschule gebaut werden soll, wollten wir das den Betroffenen schnellstmöglich mitteilen, damit sie sich nach neuen Stellplätze umschauen können“, erläuterte Ulrike Gebhardt (43) vom Vorstand. Somit sei der Stress in den Stadtteil gekommen. Denn zeitgleich habe das Ordnungsamt  damit begonnen, Falschparker zu ahnden.
Das Thema Garagenhöfe gelangte voriges Jahr auch in den Stadtbezirksbeirat (SBB) Ost: Die Pächter forderten nunmehr von der Stadt alternative Stellplätze. Der SBB Ost wurde in der Diskussion zum Vermittler zwischen Anwohnern und Stadtverwaltung. Das Ergebnis war ein Verkehrskonzept. Darin wird nun als erster Schritt eine Parkraumanalyse durchgeführt und eine Machbarkeitsstudie zu einer neuen Quartiersgarage in Auftrag gegeben. Darüber hinaus gibt es intensive Gespräche über eine effektivere Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr. 
Der Verein „Ostwache Leipzig“ will darüber hinaus Jung und Alt in der ehemaligen Feuerwache zusammenbringen. Das wird vom Bürgerverein Anger-Crottendorf unterstützt. Zudem wurde gerade ein städtebaulicher Ideenwettbewerb zur Gestaltung des gepflasterten „Polygraphplatzes“ zwischen Ostwache und ehemaliger Karl-Krause-Fabrik auf den Weg gebracht. Alle Anwohner können hier ihre Vorschläge einbringen.

Alle Meinungen auf den Tisch!

Etliche Anwohner befürchten durch den Wegfall bis dato geduldeter Parkmöglichkeiten in engen Wohnstraßen eine Verschiebung der Problematik in angrenzende Stadtteile. Seit geraumer Zeit verfolgt die Ordnungsbehörde nämlich „Gehwegparker“ im Kiez. Die Betroffenen verlangen ebenfalls Ersatzflächen.
Die jeweiligen „Lager“ in Anger-Crottendorf scheinen in ihren Ansichten weit auseinander zu liegen. Ein Meinungsaustausch auf Augenhöhe fehlt offenkundig.

Öffentlicher Raum ist für alle da

„Die Grundstruktur von Anger-Crottendorf ist älter als die umfassende Motorisierung der Bevölkerung“, erläuterte Ulrike Gebhardt. Es gebe dort seit 2015  deutlich mehr Einwohner und weniger Platz, schilderte sie weiter.  „Der öffentliche Raum besteht allerdings nicht nur aus Parkflächen für Autos.“ Er beinhalte auch Platz für Fußgänger und Radfahrer, spielende Kinder und Treffpunkte für Anwohner. „Damit entstehen Konflikte“, zeigte sie auf. „Konflikte löst man nicht durch Eskalation, sondern über das Reden miteinander“, betonte Gebhardt.  Und man lebe als Gesellschaft vom Engagement der Menschen. Daher lädt der Bürgerverein interessierte Stadtteilbewohner zur gemeinsamen Gestaltung von Anger-Crottendorf ein. Der Tenor: „Schimpft nicht, sondern macht mit!“

Der öffentliche Raum, so Ulrike Gebhardt, sei für alle da. Deshalb sollte auch jeder seine Meinung einbringen, wenn es um deren Nutzung und Gestaltung geht.
Text | Foto: Anke Brod

Anmerkung d. Red.: Es gibt immer zwei Meinungen, so heißt es am Anfang. In der nächsten Ausgabe kommen die anderen zu Wort.