Schaffen wir die Verkehrswende?

Kommentar

In 30 Jahren wird London das Klima haben, was heute Barcelona hat, haben Forscher der Technischen Hochschule Zürich festgestellt. Am sibirischen Kältepol der Erde wurden Ende Juni 38 Grad gemessen. Den Eisbären schmilzt das Eis unter den Tatzen.
Es wird offenbar dringend Zeit, dass wir unsere Lebensgewohnheiten ändern. Leipzig hat wie viele andere Städte den Klimanotstand ausgerufen. Aber welche Taten folgen diesen Worten? Wende bedeutet Richtungswechsel. Müssen wir nun um 180 Grad kehrtmachen, oder reicht ein Abbiegen um 90 Grad?
Kürzlich erschien der Umsetzungsbericht Leipzigs als Europäische Energie- und Klimaschutzkommune. Fazit: In sechs Jahren werden wir unser rechnerisches Treibhausgasbudget aufgebraucht haben, wenn unsere Emissionen weiterhin so langsam sinken. Anders gesagt: 2026 müssten wir alle Betriebe und kommunalen Einrichtungen schließen und den privaten Haushalten Strom, Wärme und Gas abdrehen!
Das wäre keine Wende mehr, sondern eine Vollbremsung. Bisher sind wir offenbar kaum abgebogen, haben eher eine Weggabelung genommen. Das ist zu wenig. Wir müssen Gas geben – beziehungsweise genau das Gegenteil.
2018 wurde im Stadtrat das Nachhaltigkeitsszenario für die Mobilitätsstrategie 2030 beschlossen. Vor zwei Wochen hat die Stadtspitze einen Rahmenplan zur Umsetzung vorgelegt. Darüber soll 2021 erst einmal mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert werden. Ein Viertel der Zeit vertrödelt. Und das präsentieren Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau sowie Michael Jana, Leiter des Verkehrs- und Tiefbauamtes, auch noch voller Stolz.
Die zentrale selbstgestellte Zielsetzung Leipzigs ist es jedoch, den Pkw-Verkehr bis 2025 um etwa zwölf Prozent zu verringern, zugunsten von Fuß-, Rad- und Öffentlichem Nahverkehr. Aber zwischen 2008 und 2018 ist der Fußverkehr gleichgeblieben, der ÖPNV schrumpft leicht. Nur der Radverkehr hat um vier Prozent zugelegt.

OBM Jung proklamiert das 365-Euro-Ticket der LVB weiterhin als Ziel, aber Corona hat zu viel Geld gekostet. Und nun „müssen wir genau abwägen – zwischen sozialen, finanziellen, ökologischen und Mobilitätsaspekten.“
Nein. Entweder schaffen wir eine Wende. Oder Berlin liegt in 80 Jahren direkt an der Ostsee. Und nicht erst unsere Enkel, sondern schon unsere Kinder werden uns verfluchen.

Text | Foto: Frank Willberg

Plakat – auf einer Demo fotografiert!