Runder Tisch mit Ecken und Kanten

Kleinmesse zwischen Tradition, Ökologie und Fußballkommerz

Große Augen, heiteres Gelächter, leckere Gerüche und das Testen der physikalischen Grundgesetze treffen sich seit Jahrhunderten auf der Leipziger Kleinmesse. Die Attraktionen der Schausteller reichen wahrscheinlich fast bis ins 12. Jahrhundert an die Anfänge der Leipziger Messe für die Großen.

Was für ein Gaudi! Vieles hat sich im Laufe der Jahre geändert, aber keinesfalls das Vergnügen am „Rummelplatz“. Schon viele Generationen erlebten am Cottaweg Fahrspaß pur. Foto: michimaya Flickr.com

Am 4. März trafen sich Vertreter aller Stadtratsfraktionen, Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke und Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal in einer Videokonferenz mit den Nutzern des Kleinmesseplatzes – Schaustellerverein sowie Marktamt – zum ersten runden Tisch zur Zukunft der Kleinmesse. Nicht anwesend, und doch Stein des Anstoßes, war RB Leipzig mit seinen Expansionsplänen für das Trainingszentrum am Cottaweg.
„Es wäre frech und kurzfristig nicht machbar, wenn wir umziehen müssten“, zürnt Jürgen Seiferth, 1. Vereinsvorsitzender und in 6. Generation Schausteller. Er kenne keine ausreichend große Alternative, und eine Erschließung mit den notwendigen Medien könne etwa 1,5 Jahre dauern, schätzt er. Außerdem hätte RB sein Versprechen gebrochen und sich hinterlistig bereits mehrere Flächen angeeignet. Schon die errichteten Container sollten nur ein vorübergehendes Provisorium sein.
Auch für Volker Kühlow (Die Linke) hat die „Fortführung der Kleinmesse auf dem angestammten Platz Priorität.“ Die Sympathien seien wahrscheinlich verteilt und die Karten mangels praktikabler Alternative für die Schausteller vielleicht gar nicht so schlecht, obgleich er einen „Kampf David gegen Goliath“ erwartet.
„Ich persönlich würde es schade finden, wenn der jetzige Standort am Cottaweg aufgegeben werden müsste“, betont Christian Schulze (SPD). „Aber eine Stadt entwickelt sich immer auch weiter und da sollte man bereit sein, auch andere Standorte, wenn diese realistisch machbar sind, zu prüfen.“ Dennoch müsse es die Kleinmesse auch in Zukunft für die Leipzigerinnen und Leipziger geben.
„Die Schausteller brauchen und verdienen eine klare und langfristige Perspektive“, fordert Stadtrat Konrad Riedel (CDU). „Schließlich gehört die traditionelle Kleinmesse zu Leipzig wie das Gewandhaus und ist bei den Leipzigern ähnlich beliebt wie unser Zoo.“ Die Weiterentwicklung des Trainingszentrums am Cottaweg mache nun eine Neuorientierung nötig. „Dabei wollen wir keinesfalls RB und die Kleinmesse gegeneinander ausspielen, sondern – im Gegenteil – Lösungen finden, die für alle zufriedenstellend sind.“
„Wir haben das Gefühl, dass die Verwaltungsspitze – statt ihre vom Stadtrat erhaltenen Arbeitsaufträge abzuarbeiten – bereits hinter den Kulissen einen konkreten Plan ausgeküngelt hat und der Stadtrat als Marionette missbraucht wird“, kritisiert Jürgen Kasek (Die Grünen). „Leidtragende sind dann neben der Natur auch die Schausteller.“ Falls die Kleinmesse umziehen würde, sollte die Fläche entsiegelt und der Biotopverbund des Auwaldes durch Anpflanzen neuer Bäume gestärkt werden, fordern neben den Grünen Umweltverbände wie der Ökolöwe.
Die Zukunft des erst vor elf Jahren für 1,3 Millionen Euro sanierten Kleinmesseplatzes scheint offener und umstrittener denn je.

Frank Willberg

Titelbild: 1907 zog die Kleinmesse auf die Frankfurter Wiesen und 1936 neben die Radrennbahn Lindenauer Zement, seit 1897 zugleich die erste Heimstätte des VfB Leipzig.
Foto: Lindenauer Stadtteilverein