Rumpelkammer – Teil 18

Ulbrichts tapferes Schneiderlein

Fast ein Wunder: Ein „kleiner“ Schneider verhilft der DDR in den 1950er und 1960er Jahren zu internationaler Anerkennung. Die politische Elite um Walter Ulbricht ist skeptisch, lässt den Mann namens Heinz Bormann jedoch gewähren und vereinnahmt ihn sogar. Eine fast vergessene Geschichte aus Magdeburg.
Nach dem Krieg kam der 27-jährige Wehrmachtsoffizier Heinz Bormann ins völlig zerstörte Magdeburg. Er will den Konfektionsbetrieb seiner Schwiegereltern wieder aufbauen. Bormann gräbt ein paar Nähmaschinen aus den Trümmern der zerstörten Fabrik und gründet die „Magdeburger Bekleidungswerkstätten“. Der Beginn einer Erfolgsstory.

Anfang der 1950er Jahre zählt sein Unternehmen zu den größten der DDR. Der Kundenkreis ist ein illustrer. Die – unter vorgehaltener Hand – als bieder verschriene Ehegattin von Walter Ulbricht kauft bei Bormann genauso ein, wie berühmte Künstler, ranghohe Wissenschaftler und die Kostümabteilung der DEFA. Sie alle spüren den Hauch westlicher Eleganz in Bormann-Stoffen. Bormanns erste Schauen finden im Kristallpalast Magdeburg statt. Es folgen Dresden, Berlin, Warnemünde und schließlich die Leipziger Messe. Die internationale Anerkennung ist ganz nach Walter Ulbrichts Geschmack. Die DDR verdient außerordentlich am Magdeburger Modezar. Bormann gehört zur Hautevolee und zu den Spitzenverdienern der DDR.
Der eher unpolitische Lebemann Heinz Bormann denkt nicht daran, in den Westen zu gehen. Plötzlich wollen alle Bormann haben. Otto, Quelle und Neckermann bestellen 30.000 Kleider, der Westen, der Nahe Osten, die Sowjets – sie alle offerieren Bormann eigene Schauen.
Auch die DDR-Filmfabrik, die DEFA holt Bormann ans Set. 1969 fährt Bormann mit einem Filmkollektiv für sechs Wochen an die Adria. Sie drehen da die Gangsterkomödie Mit mir nicht, Madame!
Bormann koordiniert die Modenschauen im Film. Der Film floppt und auch zu Hause läuft es gar nicht mehr gut.
Die DDR verändert mit Erich Honecker ihre Wirtschaftspolitik. Bormann wird enteignet. Kurz darauf – der nächste Schicksalsschlag: Er erkrankt an Krebs. Heinz Bormann, der nicht nur Couturier, sondern auch Familienmensch und Vater von vier Kindern war, stirbt im Februar 1989 fast vergessen in Schönebeck.
„Herr Bormann war ein fairer Chef, ich kenne keine Näherin, die ihn nicht gemocht hat“, schwelgt die Rentnerin in Erinnerungen. Auch Horst Fahlberg, Chauffeur von Bormann erinnert sich: „Wer einen Vorschuss für eine Anschaffung brauchte, der stieß bei Bormann nie auf taube Ohren.“
Jens Rübner

Annekathrin Bürger (*1937) in einem Kleid, Hut und Schal vom ostdeutschen Modeschöpfer Bormann.
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