Paunsdorfs Gemeindevorstand Heinrich Robert Dölling (Teil 1)

Dölling wurde am 25. März 1862 in Adorf/Vogtland geboren. Am 5. April 1889 bewirbt er sich um die ausgeschriebene Stelle des Gemeindevorstandes in Paunsdorf. Mit acht zu sechs Stimmen wird am 3. Juni 1889 seine Bewerbung angenommen.
Ab 17. Juni des gleichen Jahres ist er der neue Gemeindevorstand in Paunsdorf. Am 5. Juli 1895 wird er für weitere sechs Jahre gewählt.
Herr Dölling hatte sich schnell in Paunsdorf eingelebt und zur Wahlheimat gemacht. Der Gemeinderat hatte zur rechten Zeit einen Mann gefunden, der sich aufopfernd und gerecht für den Ort und seine Bevölkerung einsetzte und in kluger Voraussicht handelte. Dölling hatte erkannt, dass Paunsdorf seinen ländlichen Charakter durch die sich um und in Leipzig entwickelnde Industrie immer mehr verlor.
Die Gutsbesitzer verkauften günstig ihre Äcker, die Tiere und schließlich den Hof. Diesem Wandel versuchte Dölling durch Werben um Ansiedlung von Industrie und Gewerbe zu unterstützen. Der Gemeinderat war seit einigen Jahren bestrebt, in das Stadtgebiet von Leipzig einbezogen zu werden, hatte aber stets Ablehnung erhalten. So musste die Gemeinde Paunsdorf ihre Wachstumsprobleme selbst lösen, die wahrlich groß genug waren. Für seine Verdienste wurde er deshalb am 12. März 1897 vom Gemeinderat auf Lebenszeit gewählt. Sein Gehalt wird ab diesem Zeitpunkt auf 3000 Mark jährlich erhöht, ab 1. April 1897 ist er pensionsberechtigt.
Dölling kaufte am 7. April 1898 von Dr. Franz Friedrich Bernhard Elsner das Hausgrundstück Schulstraße Kataster-Nr. 140 (heute Döllingstraße 28). Als er sich ein neues Haus in der Dresdner Straße 39 baute (die Dresdner Straße wurde am 10. Mai 1912 in Riesaer Straße umbenannt), verkaufte er das Haus in der Schulstraße an den Buchbinder Friedrich Otto Stephan in Stötteritz.
In seiner Amtszeit wurden viele Probleme angeschoben, wie ein eigenes Wasserwerk für die Wasserversorgung, Anschluss für die Ableitung des Schmutzwasser in das Stadtnetz an der Ostheimstraße, Anschluss der Straßenbahn nach Paunsdorf, weitere Anbauten der Schule in der Schulstraße, Gasanschluss nach dem Gaswerk Sellerhausen, 1911 Stromanschluss nach Paunsdorf, neues Gemeindeamt in der Schulstraße 29, 1896 eigenes Pfarramt und Sparkasse. Diese Entwicklung war für die Ansiedlung der Industrie und Vorhaben der Gemeinde notwendig und von Dölling vorangebracht worden.
1898 unterzeichnet die Lampenfabrik Hugo Schneider seine Genehmigung und zieht nach Paunsdorf um, neben Böttger der zweite Industriebetrieb mit neuen Arbeitsplätzen und Steuern für die Gemeinde. Ein Traum Döllings beginnt sich zu erfüllen. 1900 folgen die Firmen Karl Schiege mit Eisenkonstruktion und Eisenbahn (in DDR-Zeiten bekannt als VEB Industriebmontagen IMO), 1919/11 Firma Christian Mansfeld (später MEWA, VEB Leuchtenbau) und Firma Emil Kahle Maschinen und Werkzeuge für graphisches Gewerbe (VEB Druckmaschinenwerke). Die Ansiedlung der späteren Hugo Schneider AG hatte den Aufbau eines neuen Ortsteiles Neu-Paunsdorf auf Sellerhäuser Flur, aber unter Paunsdorfer Verwaltung zur Folge.
1898 hatte Alfred Schwarz ein Dampfsägewerk an der Dresdner Straße, welches 1906 der Baumeister Robert Herrn übernahm. Dieser baute es unter Verwendung der alten Böttgerfabrik zu einem Baugeschäft, Dampfsäge- und Hobelwerk sowie Kistenfabrik aus (in DDR-Zeiten ein Werkteil von Holz- und Leichtmetallbau).
Paunsdorfs Eisenbahnhaltepunkte werden ausgebaut. Der Schönefelder Bahnhof wird 1899 ein Güterbahnhof I. Klasse. Die Station Paunsdorf-Stünz erhält 1905 einen eigenständigen Bahnhof mit neuem Gebäude, nachdem der gigantische Güterring mit seinen Viadukten und Brücken in Paunsdorf und Sellerhausen als Folge der Trennung von Personen- und Güterverkehr und dem Baubeginn des Hauptbahnhofes fertiggestellt sind.
Mit Döllings Verhandlungsgeschick werden Flurbereinigungen zwischen Paunsdorf, Sellerhausen und Schönefeld zugunsten der angesiedelten Industrie geregelt.

Lothar Schmidt