Offen und kritisch – eine Lebens­einstellung

Werden unsere Kinder psychisch einen „Knacks“ aus diesen Corona-Zeiten mit in ihr Leben nehmen? „Der Knacks ist bei den Kindern schon sichtbar! Leider auch bei unserem Sohn“, sagen die Hettmanns, die in diesen Tagen, Wochen und Monaten versuchen, irgendwie zu studieren und dabei die Familie zu managen.
Studieren? Ist das gerade überhaupt möglich? Die Mutter und Studentin Annika Hettmann nennt es ein „Abarbeiten“, keinesfalls könne man das „studieren“ nennen. Der Ehemann pflichtet seiner Frau bei. Er versucht gerade das Geld für den Unterhalt der kleinen Familie, zu der noch ein knapp 3-jähriger Junge gehört, zu verdienen. Durch die aktuelle politische Lage seien Anstellungen weggefallen, was die finanzielle Situation der Familie verschärft hätte. Ohne die Hilfe der Familie, da sind sich die Hettmanns sicher und einig, hätten sie es nicht bis hierher geschafft.
Die Ehepartner studieren beide, teilen sich das „Büro“, welches aus einem Schreibtisch im Schlafzimmer besteht, den Computer, die Erziehungszeiten, sprechen die Lernzeiten ab, müssen die Online-Prüfungen organisieren, das auch, wenn das Kind zuhause ist, nicht betreut wird.
Studenten sind nicht systemrelevant. Das scheint ein Spiegelbild der derzeitigen Politik zu sein, die „auf Sicht fährt“. Wie ist das mit den Studenten, die einmal in Berufe gehen wie Arzt, Lehrer oder Sozialpädagoge?
Sozialpädagogen wollen die Hettmanns gern werden, wollen gern ihr Studium bald und erfolgreich abschließen. Ohne Schule, ohne Bibliothek, ohne Copyshop usw. ist es ein schwieriges Unterfangen. „Wir Menschen brauchen den sozialen Kontakt. Auch dringend während eines Studium“, stellen Hettmanns klar. Dieser fehlt, es fehlen die Begegnungen in der Schule, der Austausch dort.
So schärfen sie den Blick auf Dinge, für die sie in dieser Zeit dankbar sind. Es sind die Kontakte zu anderen Studenten, die funktionieren, wo man sich unterstützt, hilft und austauscht. Nur online; versteht sich. Und nachdenklich erzählt Frau Hettmann von einer Kommilitonin, die diese Zeiten mit vier Kindern als Alleinerziehende überstehen muss. Das Leben ist und bleibt eine Herausforderung und es gibt herausforderndere Zeiten, Zeiten wie diese.
Umso wichtiger ist es, die Hoffnung nicht zu verlieren, immer offen und auch kritisch zu bleiben. Dieser Lebenseinstellung haben sich die Hettmanns verschrieben.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich die Eltern wünschen, ihr Sohn möge durch die vielen, oft auch unbewussten Eindrücke, nicht nur einen „Knacks“ davontragen, sondern sie als Erfahrungen mit in sein Leben nehmen, diese später nutzen, für sich und seine Mitmenschen.
Text | Foto: Michael Oertel

Studium, Alltag, Corona – sie bleiben optimistisch, die Hettmanns.