Leipzig wurde Lessings Schule der Welt

Dreizehnjährig war Gotthold Ephraim Lessing, aus Kamenz kommend, in die Fürstenschule St. Afra in Meißen eingetreten und hatte sich mit Eifer in die Studien gestürzt. Da er mit 17 Jahren bereits alle Klassen absolviert hatte, ließ er sich vorzeitig entlassen und schrieb sich am 20. September 1746 – vor 275 Jahren – als Studierender an der Universität Leipzig ein.
In Leipzig, der Stadt der Kaufleute, des Buchhandels, des literarischen Lebens und des modernen Theaters, atmete Lessing eine neue Luft. Die Stadt wurde ihm zur Schule der Welt.
Dem Wunsch der Eltern gemäß studierte Lessing Theologie. Doch die Neigung trieb ihn schon bald in andere Richtungen: Er hörte Vorlesungen in Philosophie, Archäologie und besuchte philosophische Disputationen. Und es ergriff ihn mit aller Macht die Liebe zum Theater.
Die Leipziger Bühne, von Friederike Neuber geleitet, galt als die beste in Deutschland. Lessing lebte mit den Komödianten, führte ein fröhliches, ausgelassenes Leben – bis die Kunde davon nach Kamenz zu den Eltern drang.
Der Kamenzer Hauptpastor Magister Johann Gottfried Lessing forderte seinen Sohn auf, den „niederträchtigen Umgang mit Komödianten und Freigeistern“ aufzugeben, drohte mit dem Entzug des Stipendiums.
Lessing aber nahm den Brief des Vaters nicht so tragisch, Kamenz war weit. Inzwischen hatte die Neuberin sein Lustspiel „Der junge Gelehrte“ erfolgreich auf die Bühne gebracht – Lessing fühlte sich bestärkt.
Die Eltern griffen zur Notlüge: Die Mutter sei schwer erkrankt und verlange vor ihrem Tod den Sohn noch einmal zu sehen. Lessing eilte nach Kamenz und freute sich, die Mutter wohlauf zu finden. Nach einem Vierteljahr voller Vorwürfe durfte er zurück nach Leipzig.
Kaum angekommen, hatte die Bühne ihn wieder. Doch 1748 begann sich die Truppe der Neuberin aufzulösen. Ehrlich und gutgläubig leistete Lessing Bürgschaft für die Schulden einiger Schauspieler. Aber die waren eines Tages abgereist und die Gläubiger Lessing auf den Fersen. Schuldhaft drohte.
Lessing flüchtete nach Wittenberg, wollte hier sein Studium beenden. Doch die Gläubiger bedrängten ihn auch hier. Und so bestieg der kaum Zwanzigjährige die Reisekutsche nach Berlin, flüchtete aus der materiellen Enge und suchte die geistige Weite in der Hauptstadt König Friedrichs.

Lessing, Gemälde von Johann Heinrich Tischbein d. Ä., 1760
Friederike Caroline Neuber
Text: Dagmar Schäfer / Abb.: Archiv der Autorin