Krach in Leipzigs Wellenanlage (Teil 2)

Besuch in der „Rumpelkammer“

Gemeinsam mit dem Paunsdorfer Jens Rübner werfen wir heute erneut einen Blick in die „Rumpelkammer“:

Es ist eine kleine Sensation, als das Nordbad, das spätere Leipziger Stadtbad, im Juli 1916 seine Tore öffnet. Fortan können sich die Besucher darin in die Fluten stürzen. Wortwörtlich! Denn das Stadtbad ist Europas erste Wellenanlage mit bis zu einem Meter hohen Wellen.
23 Jahre später schlägt Ufa-Regisseur Veit Harlan (1899-1964) mit seiner damaligen Freundin und späteren Frau, der schwedischen Schauspielerin Kristina Söderbaum (1912-2001), für ein paar Tage in Leipzig seine Zelte auf. Die Reise nach Tilsit schildert die Ehetragödie einer Fischersfrau, die von ihrem Mann mit einer anderen, die zur Heilbehandlung auf die Kurische Nehrung kommt, betrogen wird.
Im Stadtbad entstehen Nahaufnahmen – „Drehen ohne Erbarmen“, nannte Hauptdarstellerin Söderbaum dieses Arbeiten später. Denn sie muss für eine Alptraumszene, in der der Fischer sein ertrinkendes Kind sieht, ins Wasser. Die junge Schauspielerin hat Fieber, kann kaum etwas essen, magert immer mehr ab. Sie macht sich große Sorgen um ihr ungeborenes Kind, zu allem Überdruss tobt Harlan wieder einmal, ist unzufrieden mit sich und den anderen.
Das Fieber steigt, doch es hilft kein Flehen und Klagen, der Drehplan soll eingehalten werden. Also geht Söderbaum in ihrem Filmkleid erneut ins Wasser. Als sie die sich aufbäumenden Wellen sieht, wird ihr schwarz vor Augen. Sie fleht ihren Liebsten, den Regisseur, an: „Bitte, erspar mir die Einstellungen. Hol sie nach, wenn ich wieder gesund bin.“ Plötzlich hebt er den Arm, als wolle er sie schlagen, um dann erbarmungslos zu brüllen: „Und du spielst!“
Am 5. April 1939 heiraten Harlan und Söderbaum. „Die Reise nach Tilsit“ bleibt einige Zeit verboten. Als sie am 2. November 1939 uraufgeführt wird, hat die Welt bereits andere Sorgen.
(Fortsetzung folgt)