Großer Erzähler und ewiger Pechvogel: Hans Fallada

Nachdem der 16-jährige Rudolf Ditzen, der sich später Hans Fallada nannte, im Frühjahr 1909 die Aufnahmeprüfung am Leipziger Carola-Gymnasium bestanden hatte, war sein Vater Wilhelm in Spendierlaune: Rudolf dürfe sich etwas wünschen, etwas Ordentliches, Großes! Der Sohn zog den Vater zu einem Schaufenster – ein Fahrrad wollte er. Rudolf musste zunächst eine kleine Radlerprüfung bestehen, ehe der Vater zum Kauf schritt. Danach flog Rudolf mit seinem nagelneuen Rad durch die Straßen, auch diesmal vom Pech verfolgt – wie schon so oft zuvor und auch später immer wieder. Am Städtischen Schlachthof stieß er mit einem Pferdefuhrwerk zusammen und verletzte sich schwer. „Als ich nach Wochen leidlich repariert wieder nach Haus kam, war ich nur noch ein bleiches Gespenst“, erinnert sich Fallada in seinen 1942 erschienenen Erinnerungen „Damals bei uns daheim“.
Der Heranwachsende tat sich schwer mit dem Leben: „Aber wie ich meinen Mitmenschen eine Last war, wurde ich mir selbst zur Not. Wie ich mit meinen rasch wachsenden Beinen und Armen nichts anzufangen wußte, wie sie mir überall im Wege waren, so war ich mir selbst im Wege.“
Am 21. Juli 1893 in Greifswald geboren, wuchs Fallada in behüteten Verhältnissen auf. Die berufliche Laufbahn des Vaters führte die Familie zunächst nach Berlin, 1909 dann nach Leipzig, wo der Richter Wilhelm Ditzen als Reichsgerichtsrat ans Reichsgericht berufen wurde. Die Ditzens bezogen eine standesgemäße Wohnung in der Schenkendorfstraße, doch die Sorgen mit Sohn Rudolf rissen nicht ab. In einem anonymen Brief an die Eltern einer Mitschülerin schrieb er über die angebliche heimliche Beziehung zu ihrer Tochter, woraufhin ihn seine eigenen Eltern in ein Sanatorium schickten. Danach bezog er das Gymnasium in Rudolstadt, wo er mit seinem Freund einen als Duell getarnten Doppelsuizidversuch unternahm. Der Freund starb, Rudolf Ditzen überlebte schwer verletzt und wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
Obwohl Krisen und Abstürze Falladas Leben begleiteten, reifte er gleichzeitig zum großen Erzähler. Mit dem Roman „Kleiner Mann – was nun?“ stellte sich der Erfolg ein. Es folgten u. a. die Romane „Wer einmal aus dem Blechnapf frisst“ und „Wolf unter Wölfen“.
Noch kurz vor seinem Tod schrieb der schwer morphin- und alkoholabhängige Fallada den Roman „Jeder stirbt für sich allein“, in dem er den authentischen Fall eines Ehepaares schildert, das Flugblätter gegen Hitler auslegte, denunziert und hingerichtet wurde.
Vor 75 Jahren, am 5. Februar 1947, starb Hans Fallada in einem Berliner Krankenhaus. An seine Leipziger Lebensjahre 1909 bis 1911 erinnert eine Gedenktafel am Wohnhaus Schenkendorfstraße 61 (kleines Foto).

In der Schenkendorfstraße 61 bewohnte Falladas Familie eine Acht-Zimmer-Wohnung.
Text | Fotos: Dagmar Schäfer