Flechten und weben mit Draht

Konrad Thalmann hat ein widerspenstiges Material für sich entdeckt

Der Leipziger Künstler Konrad Thalmann aus der Südvorstadt ist universell unterwegs, an mehreren Ufern zu Hause, wie er sagt. Nach einer Steinmetzausbildung studierte er Architektur in seiner Geburtsstadt Dessau. Ein Gaststudium Bildhauerei führte ihn nach Halle an die Burg Giebichenstein, neben diversen Studiengängen folgten die Ausbildung zum Mediengestalter Printdesign und Grafikkurse in Leipzig. Das nennt man wohl überqualifiziert.

Mein Interesse weckten vor allem seine Drahtskulpturen, die im Atelierhaus in Gohlis entstehen. So ein Geflecht, ob es nun von der Decke hängt oder auf dem Sockel steht, birgt etwas Geheimnisvolles in sich, ob rund, oval, zersaust, ob figürlich oder abstrakt. Beim „Drahtweben“ knüpfe er Strukturen, die biologischen Zellen ähnlich sind, sagt der Künstler, während er in aller Seelenruhe an einem kleinen Objekt webt, in einer Hand die Drahtrolle. „Man kann weit oder eng knüpfen“, sagt er und fährt fort: „Ich arbeite im Endlosmodus, bis die Rolle alle ist. Bevor die Finger wund werden, muss ich mich bremsen und rechtzeitig aufhören.“
Das Kunstwerk aus ganz gewöhnlichem Blumendraht entsteht von innen nach außen, dabei sei er gezwungen, abstrakt zu denken in der Form. Es wundert nicht, wenn er zudem feststellt, dass diese Tätigkeit etwas Meditatives habe. Durch die handwerkliche Seite des Drahtflechtens erfahre er sich selbst und erspüre die „Proportion“ seiner Arbeit.
Wie von selbst ist während des Gesprächs das Objekt weiter gewachsen zu einer Art Vase. Im Endeffekt entsteht „eine feste Form, durch die man zugleich hindurch schauen kann“. Das Geflecht aus Knoten und schwarzen Linien sei eine dreidimensionale Arbeit, die sich mit jeder Ansicht verändert, so Konrad Thalmann.

Im Übrigen habe das Drahtweben etwas mit Rhythmus zu tun. In Form und Zeichnung stecke auch Musikalität drin. Es sei wie freies Improvisieren. Deshalb ist auch das Musizieren mit der Klarinette ein wichtiges Ritual für Thalmann. Apropos Zeichnung. In der Werkstatt holt er einen Karton hervor und packt ein Bildchen nach dem anderen aus, „alles Drahtzeichnungen“ sagt er nur und bringt damit die Besucherin ins Staunen. Was aussieht wie gezeichnet ist aus Draht gebogen und auf Papier aufgenäht. Allerdings steht am Anfang tatsächlich eine Zeichnung, als Vorlage. So sind schon viele witzige Köpfe sowie Figuren von skurrilen Tieren wie Elch oder Katze entstanden.
Seine Drahtstrecke, wie er es nennt, begann 2015. Inzwischen hat er eine neue Strecke für sich entdeckt und zeigt im Flur des Atelierhauses zwei Skulpturen aus Eschenholz. Aber das ist eine andere Geschichte.

Text | Foto: Marianne H.-Stars

Konrad Thalmann bei seiner Drahtskulptur „Wald“.