„Es waren unsere Nachbarn“ – Stolpersteine zur Erinnerung und Mahnung

Tausende LeipzigerInnen wurden  zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten verfolgt, deportiert und ermordet. Seit 2006 werden in der Messestadt zum Gedenken sogenannte Stolpersteine vor ehemaligen Wohnadressen in Gehwege verlegt. 
Am 29. Juni ließ die „Arbeitsgemeinschaft Stolpersteine in Leipzig“ weitere Erinnerungsmale verlegen. Bedrückend dabei der Gedanke: „Es waren unsere Nachbarn“. Die erste Station von insgesamt sieben war die Naunhofer Straße 57 in Stötteritz. Hier ging es um eine Umverlegung.
Die Stolpersteine der am 10. Mai 1942 nach Belzyce in Polen deportierten Eheleute Edith Minna (geb. 1902) und Max Bergmann (geb. 1881) waren schon eine Weile im Gehweg der Hausnummer 33 eingebettet. Ein Irrtum, wie vor zwei Jahren die beiden Neu-Stötteritzer Sebastian Schmideler und Heidi Nenoff herausfanden.

Hausnummer stimmte nicht
„Es war reiner Zufall“, berichtete Schmideler vor Ort. Er sagte: „Wir wollten seinerzeit von der Südvorstadt nach Stötteritz umziehen und blätterten in digitalen Adressbüchern.“ Dabei, so schilderte der 41-Jährige, sei ihnen aufgefallen, dass besagte Familie Bergmann überhaupt nicht an ihrem künftigen Domizil, der Naunhofer Straße 33, aufgelistet war.“ Der Grund dafür leuchtete ein: Im Jahre 1938 hatte es eine Kataster-Umnummerierung gegeben, und so ist aktuell die Naunhofer Straße 57 die vormalige Hausnummer 33!

Laut dem Geschichtskenner
Dr. Konrad Arndt war Max Bergmann Inhaber des einzigen Kaufhauses in Stötteritz, gelegen an der Weißestraße 22. Familie Bermannn besaß demnach ferner in der
Lilienstraße 21 ein großes Wohn- und Gewerbegrundstück. Bei der systematischen Enteignung jüdischen Eigentums wurden Fabrik und Kaufhaus der Bergmanns letztlich zwangsversteigert.

Gedemütigt und nach Polen verschleppt
Während der Progromnacht wurde Max Bergmann am 10. November 1938 verhaftet. Weitere Recherchen von Dr. Arndt lauten: „Unter der Zusicherung, Deutschland zu verlassen oder auf ihren gesamten Besitz zu verzichten, wurden die Gefangenen wieder entlassen.“ Entsprechende Ausreisebemühungen der Bergmanns scheiterten tragischerweise. Schließlich mußten die Eheleute gedemütigt in ein sogenanntes Judenhaus ziehen. Seit ihrer Deportation nach Belzyce verliert sich dann jegliche Spur.
Mitglieder des Stötteritzer Bürgervereins waren bei der Stolpersteinverlegung präsent.
Weitere Stolpersteine wurden später u. a. in der Chopinstraße, Fockestraße und der Karl-Liebknechtsstraße verlegt.

Die Stolpersteinverlegung in Stötteritz wurde würdevoll vom Musikerduo Veronika Petzold und Heiko Guter von der „Werkskapelle“ in Naunhof umrahmt.
Text | Fotos: Anke Brod