Die wechselhafte Geschichte des Schösserhauses am Kantantenweg

Mit den Entwicklungsplänen für das Gut Kleinzschocher (siehe Beitrag auf Seite 11) wird auch die Rettung des denkmalgeschützten Schösserhauses konkret. Wenn in einigen Jahren die umfangreiche Sanierung abgeschlossen sein wird, beginnt ein neues Kapitel der Nutzungsgeschichte des Hauses als öffentlicher Ort für die Menschen im Stadtteil. Dann wird hier sicher auch wieder Bachs Bauernkantate erklingen.
Das Schösserhaus, gelegen zwischen Taborkirche und Volkspark, ist das letzte noch erhaltene Gebäude des zerstörten Rittergutes zu Kleinzschocher. Das barocke Gebäude direkt neben dem ebenso desolaten Toreingang zum Rittergut ist zugleich Zeitzeugnis und Erinnerungsort der Gemarkung Kleinzschocher. Schloss und Rittergut Kleinzschocher, erstmals 1350 urkundlich erwähnt, zählen zu den größten in der Leipziger Umgebung. Neben großen Stallungen und anderen Wirtschaftsgebäuden war auch das Schösserhaus Teil der Schlossanlage. Der Schösser nahm für die adligen Gutsherren die Steuern ein.
Seit 1649 war das Gut Klein–zschocher im Besitz derer von Dieskau. Anlässlich der Übernahme des Gutes durch den Kammerherren Carl Heinrich von Dieskau brachte Johann Sebastian Bach am 30. August 1742 seine Bauernkantate erstmalig zu Gehör. An einer Säule des Eingangsportals neben dem Schösserhaus erinnert ein Medaillon an das Ereignis. Es war Bachs letzte Kantate, die der Straße später ihren Namen gab.
Um 1800 wurde das Schösserhaus zum Verwalterhaus. 1812 erwarb der Kaufmann David Johann Förster das Schloss Kleinzschocher und gestaltete das nahe gelegene Hahnholz zu einem öffentlichen Park um – Ausgangspunkt des heutigen Volksparks. 1848 bekam der Verleger und Buchhändler Freiherr von Tauchnitz das Gut zur Hochzeit geschenkt. Er nahm zahlreiche Umbauten vor und verkaufte es 1920 an die Stadt Leipzig. Als im 2. Weltkrieg das Schloss vollständig und das Rittergut teilweise zerstört wurden, blieb das Schösserhaus glücklicherweise unversehrt.
Auch zu DDR-Zeiten war das Haus bewohnt oder gewerblich genutzt, wurde jedoch kaum instandgehalten. Nach der Wende ging es in den Besitz der kommunalen Wohnungsgesellschaft LWB über. Mit dem endgültigen Leerstand seit Ende der 90er Jahre nahm der Verfall seinen Lauf. Die beiden Säulen des ehemaligen Eingangsportals zum Gut sind noch erhalten, wenn auch ramponiert. Die sie krönenden Löwen fielen 1999 einem Diebstahl zum Opfer.
Dank der Bürgerinitiative Klein–zschocher und der Initiative Kantatenweg 31, die seit Jahren auf die Bedeutung und den drohenden Verlust des kulturhistorisch bedeutsamen Schösserhauses aufmerksam machten, ist ein Prozess ins Rollen gekommen, der nun dem Gebäude eine Zukunft gibt.

Am 30. August 2022 soll der 280. Jahrestag der Uraufführung der Bauernkantate mit einem Bürgerfest gebührend gefeiert werden. Ideen und Anregungen sind willkommen:
Bürgerinitiative Kleinzschocher, Sabine Otto, E-Mail: sabineotto@stempel-druck.de

Auch wenn das Schösserhaus sich noch in desolatem Zustand präsentiert – seine Zukunft ist inzwischen gesichert.
Foto: Heiko Müller