Die Leiden des jungen Gärtners

Als junger Gärtner muss man ja so einiges ertragen. Wie ich so neulich durch die sorgsam angelegten Reihen streife, zischt es plötzlich aus der Radieschenecke: „Spießer!“ So eine Frechheit. Und ja, ich gebe zu, wenn ich mal aus meiner Blase heraustrete und um mich schaue, dann gehöre ich mit meinen unter dreißig Jahren definitiv zu den Exoten. Aber spießig, nein, das lasse ich mir nicht vorwerfen!
Gartenarbeit ist ein Knochenjob, der Demut und Geduld lehrt. Es ist die Suche nach den eigenen Wurzeln, schließlich haben schon zig Generationen vor mir ihre Finger in die nackte Erde gesteckt. Und überhaupt will mir die Natur zeigen, was für ein kleiner Wurm ich doch bin. Erst werden wir im vergangenen Frühjahr von Schnecken überrannt, dann stehen wir vor toten und ausgetrockneten Beeten. Aber was genau fasziniert mich eigentlich an der Plackerei?
Es lenkt ab. Den Rasen mähen, damit die Kinder spielen können. Die Kartoffeln legen, denn es soll über Nacht regnen. Dafür braucht man volle Aufmerksamkeit und einen klaren Kopf. Gerade, wenn es Stress im Büro oder mit der Frau gibt oder etwa die Steuererklärung schon längst abgeschickt sein müsste, dann wirkt die Zeit im Grünen wie eine kleine Meditation. Druck und Panik aus dem Alltag schrumpeln im Garten auf Saatkorngröße.
Dreck unter den Fingernägeln, aufgescheuerte Knie, der Dorn im kleinen Finger. Kein Spießer würde sich solchen Leiden aussetzen. Als Gärtnernder beklagt man sich zwar lauthals über den Gartenzaun hinweg, wie furchtbar alles sei. Aber insgeheim liebt man die Schinderei und will bloß nicht, dass sie einem weggenommen wird. Denn irgendwann, man braucht nur Geduld, werden die Mühen hundertfach belohnt: Mit sanftem Säuseln in den Staudenbeeten, Schönheit, Farben und den Früchten des Gartens.

Theodor Jähkel