Besuch in der Rumpelkammer – Teil 9

Ein Gentleman der alten Schule und die Stadt Leipzig

„Das waren noch Zeiten“: Johannes „Jopie“ Heesters (1903-2011), der niederländische Grandseigneur der leichten Muse – von Frauen umschwärmt und von Männern bewundert. Er war eine Legende im Reich der Operette und der wohl älteste Schauspieler und Sänger der Welt.
„Jopies“ Markenzeichen waren Frack, Zylinder und langer weißer Seidenschal. Mit seinem Namen verbunden sind Evergreens wie „Heut geh‘ ich ins Maxim, da bin ich so intim“, musikalisch unterhaltsame Streifen, die die Menschen von der Politik und später vom Krieg abzulenken versuchten.
Er sah blendend aus, war voll mitreißenden Charmes, der durch sein gebrochenes Deutsch und die nasalen Laute noch verstärkt wurde.
Mit 99 Jahren ging er mit seiner deutlich jüngeren Frau Simone Rethel, mit der er am Starnberger See lebte, noch auf Tournee.
Doch der Gentleman der alten Schule besuchte auch mehrmals die Stadt Leipzig. In den 1930er- Jahren wurde der vielseitige Darsteller im Leipziger Centraltheater, dem Operettenhaus und heutigen Schauspielhaus umjubelt. Nach den Vorstellungen genoss er die Ruhe und Abgeschiedenheit einer Villa am Auensee, in der er während seiner Engagements untergebracht wurde. Der Ufa-Star (Der Bettelstudent, Das Hofkonzert) war sich aber auch nicht für die kulturelle Betreuung der Präzisionsarbeiter der Mitteldeutschen Motorenwerke GmbH, (MiMo), eine von 1935 bis 1948 existierende Gesellschaft mit Sitz in Leipzig, zu schade. Sie sollten durch seine Auftritte und weitere Darbietungen der Thomaner und des Gewandhausorchesters in den schwierigen Zeiten bei Laune gehalten werden.
Im Jahr 2003 besuchte der altehrwürdige Herr, die Legende des deutschen Films, erneut die Stadt Leipzig. In der Serie „In aller Freundschaft“ mit dem Titel „Zurück ins Leben“ spielte er in einer Episodenrolle den Doktorvater von Professor Simoni († Dieter Bellmann).
Einen Herzenswunsch konnte sich der Künstler noch am Lebensende erfüllen, als er im Februar 2008 nach fast einem halben Jahrhundert in seiner Geburtsstadt Amersfoort seinen ersten Auftritt hatte. Niederländische Bühnen hatten Heesters wegen seiner Karriere in Nazi-Deutschland jahrzehntelang boykottiert.
Mit 108 Jahren, dem Charme und dem „gewissen Etwas“ in der Stimme ist der Künstler an Heiligabend im Jahr 2011 gestorben.

Text | Foto: Jens Rübner