Besuch in der Rumpelkammer – Teil 6

Willkommen in der Rumpelkammer! Diesmal lässt uns Jens Rübner hinter die Kulissen eines geschäftstüchtigen Fabrikanten schauen. Erfahren Sie mehr über „Heinrich Ross – ‚Vater‘ der Künstlerpostkarten“
Der Fabrikant Heinrich Ross (1870-1957) war gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach Berlin gekommen und bereits um 1902 im Berliner Adressbuch als „Fabrikant von Luxuspapierwaren“ in der Alexandrinenstraße im heutigen Kreuzberg nachgewiesen, der auch „illustrierte Postkarten und Reklamemarken“ herstellte. 1907 gründete er die Ross-Bromsilber-Vertriebs-GmbH, aus der später der Ross-Verlag hervorging. Das Pferd als Firmenlogo des Verlags bezieht sich auf den Namen des Gründers.
Als der Stummfilm die Kinos eroberte und die Menschen nach dem Ersten Weltkrieg in die Filmtheater strömten, setze Ross vor allem Künstler-Postkarten, die in drei Serien unterteilt waren: Filmstars, Bühnensterne und Filmszenen. Dabei hatten die Fans eine riesige Auswahl: Das ‚Ross‘ Angebot umfasste zu Höchstzeiten 1000 verschiedene Motive.
Das produzierte zuweilen ein regelrechtes Suchtverhalten: Filmbesessene füllten komplette Alben mit ihren Lieblingen – Sammelbücher, für die Liebhaber heute viel Geld auf den Tisch legen müssen. Der Star, das Sternchen wurde damit nahbar. Der Star hielt Einzug ins eigene Heim!
Dabei stand der Name Ross für Qualität und Vielfalt. Allein von Greta Garbo soll es 643 verschiedene Ross-Karten geben, dazu zählen auch die sogenannten Mäppchen-Fotos, mit jeweils immer 10 Fotos im Paket. Sehr viele gibt es auch von der vielseitigen Künstlerin Henny Porten.
Der jüdische Neuköllner Heinrich Ross wurde und wird noch heute mit seinem bekanntesten Produkt, der Künstlerpostkarte, in Verbindung gebracht.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Ross-Verlag 1937 „arisiert“. Auf der Flucht vor den Nazis verlor Heinrich Ross alles. Am 13. Mai schiffte sich Ross in Hamburg zu einer Sonderfahrt der „MS St. Louis“ in Richtung Kuba ein. Die Passagiere: mehr als 900 jüdische Flüchtlinge, die aus Nazi-Deutschland fliehen und in der Ferne einen Neuanfang wagen wollen.
Dank der eindrucksvollen und besonderen Zivilcourage des Kapitäns Gustav Schröder überlebten viele Juden diese verzweifelte Irrfahrt – vorerst.
Der Name Ross bleibt jedoch aufgrund seiner Popularität offiziell erhalten, während man den Namensgeber und sein verbundenes Schicksal sicherlich längst vergessen hat.