Spazieren für mehr Stadtgrün

Bürgerforen, Online-Umfrage, Workshops und GrünGänge. Das Amt für Stadtgrün und Gewässer tut wirklich enorm viel, um den Bürgerwillen zu erkunden und auch um für das Thema Stadtgrün zu sensibilisieren, wie es Amtsleiter Rüdiger Dittmar formuliert.
Die Umfrage läuft übrigens nur noch bis Ende Mai www.leipzig.de/masterplan-gruen. Und Anfang Mai fand der erste von drei GrünGängen mit dem Spaziergangsforscher Bertram Weisshaar als Moderator statt. Es ging vom Ostplatz hinüber zur Media City.
Aber um was geht es eigentlich beim so genannten Masterplan Grün?
„In der wachsenden Stadt sowie unter den Vorzeichen des Klimawandels müssen wir uns intensiver denn je mit der zukünftigen Sicherung und Weiterentwicklung unserer grün-blauen Infrastruktur auseinandersetzen“, sagt Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. Es geht also um Grünanlagen, Wald, Gewässer, Straßenbäume und Freiräume als „Lebensgrundlage und existenziell für die Stadtgesellschaft und die urbane Lebensqualität“.
24 Teilnehmer haben sich trotz Himmelsgrau am Ostplatz eingefunden. Weisshaar lenkt die Gruppe über Schleichwege, Schlippen und auch durch Löcher in Zäune. Er öffnet Perspektiven. Amtsleiter Dittmar trägt einen echten Briefkasten auf dem Rücken, um Meinungen zum Stadtgrün und seiner Entwicklung direkt einzufangen. Und der Spaziergangsforscher ist in seinem Element: Kenntnisreich streut er Anekdoten und wirft Fragen auf. Ist es nötig, dass immer noch mehr Parkplätze Wiesen vernichten? Wie schwierig es ist, die Straße des 18. Oktober als Fußgänger zu queren! Erst hinter den riesigen Wohnblöcken ist das Zwitschern der Vögel wieder zu hören…
Dann die grüne Brachfläche südlich des Bayerischen Bahnhofs – eine weite Wildnis mitten in der Stadt und als solche gern und vielfach genutzt von Hundehaltern, Sonnenanbetern und Spaziergängern. Was wird aus dem „grünen Rückrat“, wenn im Laufe der kommenden acht Jahre hier 1600 neue Wohnungen entstehen und das Grün um zwei Drittel schrumpft? In der Summe beläuft sich das städtische Grün in den Wohngebieten auf rund 3000 Hektar.
Es reinigt die Luft, bindet Feuchtigkeit, bietet Ruhe und ist Lebensraum für Kleintiere und Insekten. Nachhaltige Lebensqualität. Zum Vergleich: Der Leipziger Auwald misst 3100 Hektar…
Auch beziehungsweise gerade in der wachsenden Stadt ist der Kampf entbrannt um jede (freie) Fläche. Fazit des ersten GrünGangs: Dies ist kein Grund, Hinterhöfe zu betonieren, Straßenbäume wegzulassen und überhaupt immer mehr grüne Quadratmeter für fahrende oder parkende Pkw zu opfern. Das zeigt Weisshaar insbesondere in der Südvorstadt: dicht wohnbebaut, selbst innerhalb der Blockrandbebauung weiter verdichtet. Verkehr laut und gefährlich für Kinder vor der Haustür, rückwärtiges Grün eingezäunt und von parkenden Autos bedrängt. Ist unsere momentane Mobilität nicht überholt, zukunftsunfähig – ein „Dinosaurier, der ausstirbt“?

Text | Foto: Frank Willberg